Muffendorfer Originale

Das Weinhaus Muffendorf oder die Geschichte vom Muffendorfer Hahn im Korb:

Wolfgang Schäfer – Kumpel, Kreuzfahrer und Kulinariker

Eine Institution seit 26 Jahren, unvorstellbar, dass die Zeit nun zu Ende ist: Wolfgang Schäfer, Herbert Walt und das Weinhäuschen.

Wolfgang Schfer und Herbert Walt vor dem Weinhuschen

Herbert Walt und Wolfgang Schäfer vor dem Weinhäuschen

Sicher hatten die beiden fest an ihren Erfolg geglaubt, als sie 1994 in Carl Maria Völzgens Fachwerkhaus einzogen. Dass sie schließlich zu einer weit über Muffendorf und Godesberg hinaus bekannten Institution würden, zu einem Genießerort, wo Politiker, Schauspieler, Wirtschaftsbosse und genauso Menschen wie Du und ich gemütlich einkehren, schwelgen und alle fünfte gerade lassen können – so etwas kann man hoffen, aber es gehört auch eine Menge Schufterei, tägliches Durchhaltevermögen und Bewirtungstalent dazu. Da haben sich die beiden wunderbar ergänzt, und so sind es 26 Jahre geworden.

Gemütlich: Das verwinkelte Fachwerkhaus mit acht Tischen, mit offenem Kamin, in dem im Winter das Holz knackt und knistert, leise klassische Musik im Hintergrund. Die von Wein überrankte Terrasse: eine traumhafte Sommerinsel. Die ehemalige Schmiede: umgebaut zur Küche, in der Wolfgang kulinarische Hochgenüsse schmiedete. Das Weinhäuschen war Schauplatz zahlloser Familienfeiern, Freundschaftstreffen, wichtiger Geschäftsessen und stiller Absprachen. – Auch von manchem Menü zu zweit, bei dem die entscheidende Zukunftsfrage beim Dessert gestellt wurde. Und so konnte es auch schon einmal richtig lang bzw. morgens früh werden …

Wer hat nicht den Rehrücken mit Sauerkirschen geliebt? Von den Jakobsmuscheln geschwärmt? Besondere Fischgerichte genossen, bis hin zu Hummer und unvergesslichen Flusskrebsen? Die Sauerampfersuppe, den Sauerbraten, die Gänse zur Weihnachtszeit, himmlische Saucen und als Krönung: Das verheißungsvolle Klackern des Schneebesens, das dem Gast das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ in der Vorahnung einer göttlichen Zabaione. Ein Faible hatten die beiden für Hummer, Austern, edle Fische, Champagner und erlesene Weine. Das war auch bei ihren ersten drei Restaurants vor dem Weinhäuschen in Muffendorf so.

Wolfgang ist ein rheinisches Urgestein und „Godesberger Gewächs“, 1950 geboren, in Rüngsdorf zur Schule gegangen, bei Kaisers Kaffee in Mehlem eine Lehre als Lebensmittelkaufmann gemacht. Ab 1968 war er bei Hertie Disponent an der guten Käsetheke und hat gleichzeitig erst im Rüngsdorfer Freibad Schnitzel am laufenden Band serviert und dann im St. Michael auf der Brunnenallee gejobbt. Das war die Begegnung mit der Spitzengastronomie, die ihn nicht mehr losgelassen hat – und gut verkaufen konnte Wolfgang schon immer.

Und dann kam 1971 die Begegnung mit Herbert. Hier hatten sich zwei gefunden, die schließlich bis zu Herberts Tod am 17. Dezember 2018 fast 50 Jahre ihres Lebens miteinander verbringen sollten.

Herbert, der nach seiner Gastronomielehre 10 Jahre lang auf See im Service war und der nicht nur die Liebe zur Kulinarik teilte, sondern auch die Liebe zu den Seereisen mit in die Beziehung brachte. Herbert, der Stille und Stetige im Hintergrund, der Sommelier, der auf den kulinarischen Reisen ins Rheingau, ins Elsass, nach Burgund und in die Champagne die exquisiten Tropfen fand, die dem Weinhaus Muffendorf ebenfalls einen Namen machten.

Ein Traumteam: Wolfgang der Bühnenmann, Herbert der ruhende Pol. Es gehörte dennoch eine ganz dicke Portion Mut dazu, als die beiden, Wolfgang mit 23 Jahren und Herbert mit 33 Jahren, das erste Restaurant aufmachten. Das war 1973 der Gracht-Keller in Liblar. Ein feines Restaurant, exklusiv mit frischem Hummer aus dem Becken. Einzigartig und eine Sensation in ganz Deutschland: Die beiden bekamen Nachwuchs – die Schalentiere im Hummerbecken hatten Junge gekriegt.

Zeitungsausschnitt zur Eröffnung des

Zeitungsausschnitt zur Eröffnung des „Le Gourmet“ in Lechenich

Neun Jahre später wurde es die Hostellerie Le Gourmet in Lechenich, weitere sieben Jahre später das Le Gourmet in Köln. Immer war das Erfolgsrezept: Regionale Zutaten, frisch zubereitet und garniert mit viel persönlicher Gastfreundschaft. Der eine Herr des Hauses gab fantastische Weinempfehlungen, der andere Herr des Hauses kochte und kam später selbst zur Unterhaltung an den Tisch. Das war auch in Muffendorf so: Das Weinhäuschen wurde nicht nur für Wolfgang und Herbert, sondern auch für viele Stammgäste ein Zuhause.

Anekdoten dazu gibt es viele: Wunderbare Weihnachtsessen, Silvestermenüs und Geburtstagsfeiern. Beerdigungsfeier mit Karnevalsmusik; Wolfgang beim Fassanstich zur Eröffnung der Muffenale wie Franz-Josef Strauß auf dem Oktoberfest; der Karnevalswagen. Überhaupt: Wolfgang und seine Karnevalskostüme – als Elvis, als Engelchen, Scheich, Bischof und Can-Can-Tänzerin und vieles mehr. Apropos Tanzen: Zwei bekannte Damen sollen in der Blüte ihres Lebens im Weinhaus sogar auf dem Tisch getanzt haben!

Und dann wird auch von einem gehäkelten Männertanga erzählt, von durchtanzten Tango-Nächten auf dem Schiff. Und damit sind wir bei der Geschichte vom „Hahn im Korb“.

Wie wird man wohl „Hahn im Korb“? Die Jahre mit den Muffendorfer Witwen sind legendär. Zuerst waren es nur drei, die mit den beiden Kerls auf Kreuzfahrt gingen, Paula Linnemann, Hanna Thalheim, Maria Weißhaar. Eine Legende wurde geboren, die Schar der Kreuzfahrerinnen wurde größer, schließlich waren es sieben Damen, die mit den beiden Herren die Meere unsicher machten: Elisabeth Faust, Ruth Ittenbach, Rosemarie Schrottka und Iris Schürmann kamen dazu. So war der Hühnerclub geboren. Sie alle liebten ihren Wolfgang und sind wunderbare Vorbilder für ungebrochene Lebensfreude. Später erweiterte sich der Kreis, der sich im Laurel, bei Kensiks und dann in der Kommende traf – standesgerecht mit einer Henne auf dem Stammtisch. Wenn es in Muffendorf noch weit nach Mitternacht laute Stimmen auf der Hauptstraße gab, dann waren die „Lustigen Witwen“ noch unterwegs: „Hadder kin Bedde zuhus?“ riefen unbescholtene Bürger.

Wir hätten unserem Wolfgang und in Erinnerung an Herbert dem Weinhaus ein richtiges Abschiedsfest gegönnt. Das soll durch die Corona-Pandemie nicht möglich sein. Viele Muffendorfer und Gäste aus dem Umland 😊 werden die herzliche Gastlichkeit schmerzlich vermissen. Was bleibt, sind die vielen, vielen schönen Stunden des Genießens mit gutem Essen und gutem Wein. Und ein Trost: Wie schön, dass Wolfgang in Muffendorf bleibt, denn das Urgestein gehört einfach hier hin.