Der Weihnachtsstern und seine Verwandtschaft
Blumenläden, Gartencenter, Baumärkte, dort war er in den letzten Wochen zu sehen und zu kaufen. Allgegenwärtig zur Adventszeit, verschwindet er danach meist wieder: der Weihnachtsstern. Das tiefe und warme Rot seiner Blätter lässt uns Wärme empfinden in dieser kühlen Jahreszeit. So wie er uns an seine Heimat, trockene und warme Plätze an der Pazifikküste Mittelamerikas erinnert.
Der botanische Name Euphorbia pulcherrima bedeutet „die schönste Wolfsmilch“, denn sie beeindruckt durch ihre kräftige Färbung. Immerhin wird sie am natürlichen Standort ein bis zu 4 m hoher Strauch. Auf den ersten Blick hält man die roten Blätter für Blütenblätter. Aber es sind rot gefärbte Hochblätter, die sich allmählich ins normale Grün umfärben. Im Inneren dieses Kreises von Hochblättern sitzen die wirklichen Blüten, klein und knubbelig.
Tatsächlich ist ein „Knubbel“ ein ganzer Blütenstand mit einer einzelnen weiblichen Blüte und vielen männlichen Blüten. Letztere bestehen jeweils aus nur einem Staubfaden. Diese spezielle Form des Blütenstandes nennt der Botaniker Cyathium. Er ist typisch für die Gattung Wolfsmilch (Euphorbia).
Eine weitere attraktive Art ist die ebenfalls aus Mexiko und Zentralamerika stammende Euphorbia fulgens. Hier übernehmen die zwischen den männlichen Blütenständen stehenden vergrößerten Nektarblätter die Schauwirkung.
Der Name der mit etwa 20 krautigen Arten in Deutschland vertretenen Gattung Wolfsmilch leitet sich vom ätzenden, giftigen Milchsaft der Pflanzen ab. Außer der Gattung Euphorbia ist hier noch heimisch das Bingelkraut (Mercurialis), eine Heilpflanze, die das Abheilen chronisch-entzündlicher Wunden unterstützt.
Mercurialis perennis
[aus Thomé: Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz. Gera 1885]
Die Gattung Euphorbia ist auch namensgebend für die Verwandschaft: die mehrere hundert Gattungen mit etwa 6.000 Arten umfassende Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae). Es ist eine sehr vielgestaltige Verwandschaft. Von kleinen Kräutern wie dem Bingelkraut über Sträucher bis zu großen Bäumen. Sehr bekannte Nutzpflanzen gehören hierzu: Rizinus (Ricinus communis), Maniok (Manihot esculenta) oder der Kautschukbaum (Hevea brasiliensis).
Ricinus communis
[aus Köhlers Medizinal-Pflanzen …, Gera 1883-1914]
Manihot esculenta
[aus Köhlers Medizinal-Pflanzen …, Gera 1883-1914]
Hevea brasiliensis
[aus Köhlers Medizinal-Pflanzen …, Gera 1883-1914]
In Trockengebieten kommen auch wasserspeichernde Formen (Sukkulente) vor, man kann sie z.B. auf entsprechenden Standorten auf den Kanaren bewundern. In der tropischen und subtropischen Flora der alten Welt (Afrika, Asien) sind sie ein Gegenstück zu den rein neuweltlichen Kakteen (nur in Amerika beheimatet!, einzige Ausnahme: Rhipsalis baccifera in Afrika, Madagaskar, Seychellen, Mauritius, Réunion).
Euphorbia broussonetii, ca. 1,5 m, Teneriffa
Euphorbia atropurpurea, Teneriffa
Euphorbia canariensis, Südspitze Teneriffa, im Hintergrund der Pico del Teide
Euphorbia canariensis, Blütenstände (Cyathien)
Euphorbia canariensis, Früchte
Auf den Kanaren sind immerhin 11 Euphorbia-Arten beheimatet, hauptsächlich Sträucher, aber auch Kakteen-artige Formen oder auch eine kleine Baumart (Euphorbia mellifera), siehe hierzu Bramwell/Bramwell: Flores Silvestros de las Islas Canarias, 4. Ed., Madrid 2001.
Die Verwandtschaft ist wie gesehen sehr zahlreich und vielfältig, über die ganze Welt mit Ausnahme Arktis/Antarktis verbreitet. Sie hat große Bedeutung für die Vegetation, ist wirtschaftlich durchaus von Belang. Es lohnt sich also durchaus, weiter die Augen offen zu halten, die Vielfalt der (Pflanzen-) Welt zu registrieren, zu schätzen und zu bewahren.