Am 23. September präsentierte Frau Gabriele A. Rodriguez im Pfarrheim St. Martin in Muffendorf ihr Buch „Hoffen wir das Beste: Kartoffelfeldpost aus Muffendorf“, in dem sie Briefe ihrer Familienmitglieder aus dem Zweiten Weltkrieg veröffentlicht hat. Die Veranstaltung wurde in Zusammenarbeit mit dem Ortsausschuss Muffendorf e.V. organisiert, mit Unterstützung von Bestattungshaus Becker und Blumen Thalheim.

Frau Rodriguez begann mit einer Übersicht der bis ins 17. Jahrhundert dokumentieren Muffendorfer Familiengeschichte, veranschaulicht durch Archivmaterial sowie Bilder von Bauinschriften, Gräbern, und ehemaligen Wohnhäusern, die vielen der Anwesenden bekannt waren.

Die Lesung selbst bestand aus einer Auswahl der veröffentlichen Briefe. Durch dessen geschickte Zusammenstellung und einen klaren, nüchternen Vortrag gelang es Rodriguez, die Briefe für sich sprechen zu lassen und die Kriegserfahrung der Familie zum Leben zu erwecken.

So begleitete man Peter, Frau Rodriguez’ Onkel, im Zuge seines Soldatenlebens von Polen über Frankreich, die Tschechoslowakei und Norwegen nach Italien in die Schlacht von Monte Cassino, die er nicht überlebte – aber auch seine Schwester Marianne, die im Zuge der Kinderlandverschickung in das nach der Unterwerfung Frankreichs annektierte Elsass kam, und die Familienmitglieder, die während des Kriegs in Muffendorf blieben.

Das Bild, das dabei entsteht, ist von harten Kontrasten gekennzeichnet. Es sind Momentaufnahmen des Versuchs, ein normales Leben aufrechtzuerhalten und die Nähe zu geliebten Menschen zu wahren unter dem Schatten einer beängstigenden Realität, die im Laufe der Zeit immer bedrohlicher wird: tschechische Frauengeschichten und Appellplatzprügel, sonnige Rheinfahrten und Nächte im modrig-kalten Luftschutzkeller, gebratener Polarfisch und Zahnausfall, Birnenpflücken und ein am Bismarckturm aufgehängter Muffendorfer Pole, „den wir alle kannten.“

Schließlich zeigt Frau Rodriguez auch Peters Todesanzeige, in der die SS-Runen auf seiner Uniform geschwärzt wurden. Ein Versuch der Familie, sich vom NS-Regime zu distanzieren? Oder ein früher Ausdruck des Verschweigens, der lange den Umgang mit dieser Vergangenheit bestimmte? Eindrücklich wird dieser so typische Umgang der Kriegsgeneration mit Krieg und Nationalsozialismus veranschaulicht in der Erzählung, wie die Briefe gefunden wurden: Diese entdeckte Rodriguez im Haus der Tante Marianne nach deren Tod, in einer Ledertasche, die im Keller hinter Kleidern versteckt war.

Wie die Autorin bemerkt, laufen die Versuche der Familienmitglieder, Nähe zu pflegen, oft „über den Magen“: über Geschichten von genossenen Leckereien oder Verzicht-bedingtem Gewichtsverlust, oder über von der Familie an Peter verschickten Lebensmittelpakete, die aufgrund des liebevoll, aber nicht immer besonnen ausgewählten Inhalts manchmal in unglücklichem Zustand ankommen. „Wie konntet ihr mir nur Erdbeeren schicken?“ scheltet Peter einmal gutmütig. Vielleicht auch von diesem sinnlichen Geist inspiriert, gab es in der Pause ein großzügiges kostenloses Kaffee und Kuchen-Gedeck.

Die Weberschen Briefe waren aber auch eine Erinnerung an das Ausmaß des Traumas, das die Kriegsgeneration erlebte, aber kaum verarbeiten konnte oder wollte, und das daher in die Gegenwart fortgewirkt hat – wie u.a. von Sabine Bode gezeigt, deren Buch Kriegsenkel mit anderen themenrelevanten Materialien im Veranstaltungsraum ausgestellt war.

William Ohm