Es ist kurz vor sechs Uhr abends an jener Stelle der Muffendorfer Klosterbergstraße, die sich eng um den Vorplatz der Katholischen Kirche St. Martin windet, und die Dunkelheit ist bereits hereingebrochen. Finster ist es aber nicht. Denn auf Vorplatz und Straße, sonst zu dieser Zeit so menschenleer, tummelt sich eine Menschenmenge, darunter viele Kinder – und schwebend unter diesen, ein Meer vielfarbiger Lichter.

Es ist der Muffendorfer Martinszug.

Das diesjährige St. Martinsfest in Muffendorf findet am Freitag, den 10. November 2023, statt. Veranstaltet wird es von der Katholischen Kirchengemeinde St. Martin und dem Ortsausschuss Muffendorf.

Schon am Nachmittag versammelt sich eine Gruppe Mitglieder und Helfer auf dem Remi-Baert-Platz. Sie errichten Pavillons, tragen Tische aus dem nahegelegenen Pfarrzentrum St. Martin herbei und statten die daraus entstehenden Verkaufsstellen mit Glühweinkocher, Grill, Geschirr, usw. aus. Mitten auf dem Platz erhebt sich ein sauber errichtetes Lagerfeuer aus dicht gepackten Holzplatten und Balken – wie ein hübsches kleines Nurdachhäuschen. An der Ecke Muffendorfer Hauptstraße/Klosterbergstraße steht auch schon ein Verkaufsanhänger, in dem sich die Mitarbeiter eifrig auf den Verkauf von Baumstriezel vorbereiten. Es herrscht eine Atmosphäre tatkräftiger und doch entspannter Zusammenarbeit: die Beteiligten machen den Eindruck einer gut eingespielten Truppe, und das Ganze scheint ohne großen Stress zügig und wie von selbst zusammenzukommen. Schon bald verbreitet sich der wohlig-würzige Geruch von Glühwein.

Helfer beim Aufbau des Martinsfests auf dem Remi-Baert-Platz © William Ohm

Helfer beim Aufbau des Martinsfests auf dem Remi-Baert-Platz © William Ohm

Helfer beim Aufbau des Martinsfests auf dem Remi-Baert-Platz © William Ohm

Das noch nicht entzündete Lagerfeuer © William Ohm

Es rückt die Feuerwehr mit einigen Einsatzfahrzeugen ein, und kurz darauf der erste „Promi“ dieses Fests – das Martinspferd, ein schönes, walnussbraunes Tier mit einer langen weißen Blesse.

St. Martins Pferd wartet auf den Auftritt © William Ohm

Dann erscheint sein Co-Star, Martin selbst: auf dem Haupt der glänzende Legionärshelm mit irokesenförmigem Helmbusch, auf dem Oberkörper ein blaurotes Wams, um die Schultern der legendäre, scharlachrote Mantel und an der Hüfte ein Kurzschwert.

Der Mann, der in diesem Kostüm steckt, ist Cornelius Diehl, der auch schon in den vergangenen Jahren die Rolle des Martin verkörpert hat. Diehl, der auch 1. Vorsitzender der Muffendorfer Heimatbühne ist, wird übrigens am folgenden Tag, dem 11.11., zum Bonner Karnevalsprinz gekrönt werden. Das ist großes Engagement!

Cornelius Diehl als St. Martin © William Ohm

An der Kirche begibt sich die inzwischen versammelte Menge in das Gebäude, wo die Martinsgeschichte erzählt und die Laternen gesegnet werden, und dann wieder raus auf den Platz. Auch dieser erste Teil des eigentlichen Festes verläuft schnell und reibungslos, und nun stehen die Teilnehmer auf Platz und Straße und erwarten die Ankunft ihres Zugführers, die Laternen in der Hand.

Und was für eine prächtige Vielfalt an leuchtenden Papierbasteleien sich dem Auge bieten: Würfel, Kugel, Zylinder! Buntes Farbendurcheinander! Papierfetzen, Federn und Laubblätter! Einhörner und Füchse, Delfine und Schildkröten, Piratenschiffe und Pandas, Gespenster und Schnecken, St. Martin auf dem Pferd, Sonne, Mond und Sterne!

Unter den Versammelten formieren sich mittlerweile auch zwei Kapellen: eine besteht aus Blasinstrumenten, Trompeten, Posaunen und einer dicken B-Tuba, alle feenhaft mit weißen Lichterketten verziert, die andere – die „Heimatklänge“ Bengen, wie man ihren sportlichen Jacken entnehmen kann – aus einer goldglänzenden Lyra und mehreren Querflöten. In beiden Kapellen vertreten ist die für den Zug so wichtige Pauke sowie ein Stabführer, der sich an die Spitze der Gruppe stellt.

Auf Platz und Straße herrscht ein großes Gewusel und Gebrumme, Reden, Lachen, Rufe, elterliche Anweisungen, gelegentliches Heulen und Schimpfen. Irgendwo in der Menge bellt ein Hund aufgeregt vor sich hin. Plötzlich schneidet eine weibliche Stimme dazwischen: „bitte zur Seite gehen, der Martin kommt.“ Die Masse weicht zu den Straßenseiten. „Ich sehe ihn!“, ruft eine helle Mädchenstimme, und da erscheint der Legionär auf seinem schnaubenden Ross. Er durchquert die entstandene Gasse, die sich hinter ihm gleich wieder verschließt. „Hallo St. Martin,“ grüßt ein kleiner Junge, als dieser an ihm vorüberreitet. „Wir gehen vor St. Martin,“ verkündet ein kleines Mädchen, und marschiert ihm nach; die Mama rennt hinterher, um sie zurückzuholen.

Nun ist alles in Position. Martin an der Spitze, der Zug hinter ihm, und zum Schluss ein Polizeigeleit mit blinkenden blauen Warnleuchten. Dann legt die Pauke los – Bumm, Bumm, Bumm Bumm Bumm – die Blasinstrumente erheben sich mit dröhnender Fröhlichkeit und der Zug setzt sich in Gang.

Er schlängelt sich die Klosterbergstraße hoch und dann über Am Gäßchen, Hopmann-, Bürvig-, und Muffendorfer Hauptstraße zu seinem Ziel, dem Remi-Baert-Platz.

Gut gelaunt laufen die Teilnehmer hinter dem Reiter her, die Laternen voraus, wobei sie quatschen und in das ein oder andere Lied einstimmen, das von den Kapellen vorgespielt wird – darunter die üblichen Klassiker wie „Ich gehe mit meiner Laterne“ und „D’r hellije Zinter Mätes“: „laßt uns nicht so lange, lange stehn, denn wir müssen weitergehen, weiiiteeergeeehn.“ Die Kapellen leisten jedenfalls ihr Bestes, um Schwung in die Sache zu bringen und die Leute zum Singen zu animieren: das Zusammenspiel von wuchtigem Trommelschlag und heiter-flottem Pfeifenklang der „Bengener“ packt die Beine und treibt sie voran. In einem Kinderwagen schlägt ein Junge auf einer Kindertrommel eifrig mit, aber nach eigenem Rhythmus.

Dabei passiert man die dunklen Straßen Muffendorfs und ihrer Häuser, von denen einige schön und passend dekoriert sind – meistens mit Kerzen in klaren oder roten Gläsern, aber auch mit Lichterketten oder Laternen.

Beleuchtung entlang des Zugwegs © William Ohm

An Ecken und Straßenrändern stehen immer wieder Zuschauer, von denen manche auch beherzt mitsingen, und freiwillige Lotsen in Neon-Warnwesten. Als eine von diesen eine Freundin erblickt, stellt sie sich breitbeinig hin, die Arme in die Luft gestreckt, grinst und ruft stolz: „Ich bin Lotse!“

Als der Zug den Platz erreicht, sammeln sich die Beteiligten um das Lagerfeuer, mittlerweile entzündet. Die lodernden, heißen, rauschenden Flammen werfen einen flackernden roten Schein auf das stetig wachsende Publikum, das wie gebannt ins Feuer blickt. Um sicherzustellen, dass sich die Zuschauer nicht zu nahe ans Feuer heranwagen, sind an mehreren Stellen auf dem Platz Feuerwehrleute positioniert, darunter einige Jugendliche. Es ist erfreulich zu sehen, dass es der Feuerwehr offenbar gelingt, Nachwuchs zu gewinnen, und ihm die Gelegenheit bietet, bei solchen Veranstaltungen Verantwortung zu übernehmen.

Zugteilnehmer und Zuschauer sammeln sich am Lagerfeuer © William Ohm

Aufpasser der Feuerwehr © William Ohm

Dann beginnt das Martinsspiel. Schon kauert der Bettler – gespielt von Helga Schell, die sich auch schon vielfach durch ihr Engagement ausgezeichnet hat – auf einem Knie neben dem Feuer. Dann bittet die Moderatorin darum, Martin herbeizurufen, und die Zuschauer gehorchen. Eine Gruppe Teenie-Mädchen, die auf dem Hügel steht, tut sich hierbei besonders hervor: sie kreischen den Namen richtig, fallen vor Lachen fast um– aber es wirkt, der Legionär mit dem roten Mantel erscheint!

Das Spiel besteht aus einer Lesung der Geschichte, klar und einnehmend vorgetragen, und der Aufführung der Haupthandlungsmomente durch die Darsteller. So streift Martin an der entsprechenden Stelle in der Geschichte seinen Mantel ab, teilt ihn mit dem gezückten Schwert symbolisch in zwei und legt ihn dann behutsam auf die Schultern der Bettlerin, die mit bewundernswerter Hartnäckigkeit ihre ungemütliche Pose beibehält.

St. Martin zerteilt seinen Mantel © William Ohm

Marco Brüggemann begleitet das Martinsspiel mit einer Lesung der Martinsgeschichte © William Ohm

St. Martin legt den Mantel um den Bettler © William Ohm

Während der Erzähler noch die anschließende religiöse Karriere Martins umreißt, werden manche Kinder schon unruhig; als kurz darauf das Spiel beendet wird mit dem Hinweis auf die dargebotene Verpflegung, flitzen einige von ihnen los, um einen der kostenlosen Weckmänner zu schnappen.

Dazu wird auch einiges zum Verkauf angeboten, zu durchgängig fairen Preisen: Getränke, unter anderem auch Glühwein und Kinderpunsch, Bratwürste im Brötchen, der berüchtigt-herzhafte Kesselskuchen bzw. Döppekooche mit Apfelmus und auch die Baumstriezel.

Angebot beim Martinsfest © William Ohm

Wursttheke am Martinsfest © William Ohm

Kesselskuchen bzw. Döppekooche mit Apfelmus © William Ohm

Baumstriezel-Stand © William Ohm

Beim Anblick der Helfer bei ihrer Arbeit bekommt man denselben Eindruck wie schon beim Aufbau: Alles scheint flott und reibungslos von der Hand zu gehen, die Schlangen bewegen sich rasch vorwärts und die Kunden scheinen zufrieden.

Helfer bei der Arbeit beim Muffendorfer St. Martin 2023 © William Ohm

Diese bilden ihre Grüppchen auf dem Platz, viele natürlich in der Nähe des Feuers mit seiner behaglichen Wärme. Es wird gemütlich getratscht und gelacht, Kinder rennen dazwischen. Auch wenn mal eines der Kleinen zurechtgewiesen werden muss, weil es seine Lampe als Keule einsetzt – es herrscht eine entspannte, heitere Atmosphäre.

Dabei fällt auch die Verschiedenheit der hier versammelten Menschen auf: eine Bandbreite an Alter und Hautfarben, auch Paare ohne Kinder, die schmusend ins Feuer blicken, Großmütter mit Kopftuch, die auf ihre kleinen Enkel Acht geben.

Bei der Betrachtung dieses friedlichen Treibens kommt einem der Gedanke, dass es genau ein solches persönliches, sinnenfreudiges gemeinsames Erlebnis ist, das Gemeinschaft stiftet und stärkt.

Aber auch: Wenn Aufbau und Ablauf den Eindruck machten, dass sie wie von selbst erfolgten, dann wirft das zwar ein gutes Licht auf die Erfahrung und Organisation der Beteiligten, trügt aber auch. Denn eine so schöne Veranstaltung, wie es der diesjährige Muffendorfer Martinszug war, entsteht nur durch das aktive und zuverlässige Engagement einzelner Personen, die ihre Freizeit dafür aufwenden, um die damit verbundenen Aufgaben zu erledigen: die planen und organisieren, beim Aufbau helfen, Würstchen braten, vielleicht auch mal in ein Legionärskostüm schlüpfen und auf einem Pferd durchs Dorf reiten. Muffendorf hat großes Glück, eine ganze Truppe solcher Helfer zu besitzen. Man möchte hoffen, dass ihr Beispiel noch weitere Mitbewohner dazu anregen wird, in Zukunft mitzumachen!

Martinsfeuer des Muffendorfer St. Martin 2023 © William Ohm

Text und Photos: William Ohm